(02.05.2025) Seit mehreren Jahren beobachten polizeiliche Ermittlerinnen und Ermittler, wie die Anzahl von Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern und kinderpornografischer Delikte zunimmt. Daraus ergibt sich nicht nur die Herausforderung, Täter und Täterinnen zu stellen oder die Häufung der Fälle durch präventive Maßnahmen einzudämmen. Auch geht es in der polizeilichen Ermittlungsarbeit darum, Tatverdächtige zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko für eine mehrfache Tatbegehung bzw. einen erhöhten Gefahrenüberhang aufweisen, der u. a. durch den Übergang vom reinen Konsum kinderpornografischer Inhalte zum unmittelbaren Missbrauch von Kindern und der Herstellung neuer kinderpornografischer Inhalte markiert wird. Das kann insbesondere vor dem Hintergrund der begrenzten Ressourcen herausfordernd sein. Denn es gilt, diese Tatverdächtigen intensiver zu bearbeiten.
Wissenschaftlicher Hintergrund ist ein fortlaufendes Forschungsprojekt der Hochschule zu digitalen Sexualdelikten mit einem Schwerpunkt auf minderjährigen Tatverdächtigen, das am Institut für Cyberkriminologie angebunden ist und durch die SiKoop-Länder unterstützt wird. Die HPol-Forschungsgruppe besteht aus Cindy Ehlert, M.A. (Kriminologin und Dozentin) sowie Prof. Dr. Jürgen Biedermann (Professur für Psychologie) und Prof. Dr. Thomas-Gabriel Rüdiger (Leiter des Instituts für Cyberkriminologie). Auf Basis polizeilicher Datengrundlagen – also dem polizeilichen Hellfeld – untersuchen die Forschenden unterschiedliche kriminalpolitische und psychologische Aspekte digitaler Sexualdelikte und haben ihre Ergebnisse bereits in mehreren Fachpublikationen veröffentlicht.
Im aktuellen Artikel ermittelten sie zunächst, welche Risikofaktoren für eine Mehrfachauffälligkeit bestehen. Diese Faktoren beziehen sich auf weitere Tathandlungen, nachdem ein Sexualdelikt mit Bezug zu kindlichen Opfern als Ausgangsdelikt bekannt geworden ist. In ihrem Bericht diskutieren sie anschließend die identifizierten Risikofaktoren im Hinblick auf bisherige Forschungserkenntnisse und die Methodik des Untersuchungsansatzes.
Zitat Biedermann: „Mit unserem Projekt konnten wir bereits anhand mehrerer Fachpublikationen zeigen, wie polizeiliche Datenbestände fruchtbar zur Beantwortung praxisrelevanter Fragestellungen bei der Prävention und Repression von Sexualdelikten mit kindlichen Opfern genutzt werden können. Wichtig ist dabei, sich nicht wie bei klassischen PKS-Analysen üblich auf die isolierte Betrachtung einzelner Merkmale zu beschränken, sondern Merkmale der Tatbegehung in ihrem spezifischen Zusammenspiel und Kontext näher zu beleuchten und u. a. auch freitextliche Fallschilderungen zu nutzen. Dadurch kann ein vertieftes Verständnis der Tatbegehung erzielt werden.“
Zitat Ehlert: „Das Forschungsprojekt des Instituts für Cyberkriminologie an der Hochschule, unterstützt durch die SiKoop-Länder, leistet einen maßgeblichen Beitrag zur Aufklärung und Bekämpfung digitaler Sexualdelikte, insbesondere mit Fokus auf minderjährige Tatverdächtige. Die Forschungsergebnisse bieten nicht nur fundierte Einblicke in die Dynamiken digitaler Sexualdelikte, sondern liefern auch wertvolle Grundlagen für Präventionsstrategien, gesetzliche Maßnahmen und die Unterstützung vulnerabler Personen.“
Zitat Rüdiger: „Gerade bei digitalen Sexualdelikten zeichnet sich eine immer größere Relevanz von KI-generierten Inhalten ab. Diese Entwicklung stellt nicht nur die Sicherheitsbehörden vor besondere Herausforderungen, sondern auch gerade Minderjährige werden damit konfrontiert. Fundierte kriminalpolitische Antworten brauchen auch entsprechende Analysen. Wir hoffen mit unserer Arbeit in Zukunft dazu beitragen zu können.“
Auflistung bisheriger Artikel aus dem Forschungsprojekt:
Rüdiger, T.-G., Ehlert, C., & Biedermann, J. (2023). Phänomenologie und Präventionsansätze bei digitalen Sexualdelikten durch minderjährige Tatverdächtige. In R. Steffesenn, P. Briken, & N. Saimeh (Hrsg.), Missbrauchsabbildungen und sexueller Kindesmissbrauch in digitalen Medien (S. 225–234). Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.
Biedermann, J., Rüdiger, T.-G., & Ehlert, C. (2023). Die Relevanz von Alterskontexten bei der Prävention und Repression des sexuellen Missbrauchs von Kindern und der kinderpornografischen Delikte unter Nutzung des Tatmittels Internet. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 17(1), 83–94. https://doi.org/10.1007/s11757-022-00757-1
Biedermann, J., Rüdiger, T.-G., & Ehlert, C. (2024). Zusammenhänge der regionalen Verteilung von Tatverdächtigen bei digitalen Sexualdelikten mit kindlichen Opfern mit dem Verteilungsmuster anderer Straftaten und soziostrukturellen Merkmalen. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 107(2), 133–146. https://doi.org/10.1515/mks-2023-0049
Ehlert, C., Rüdiger, T.-G., & Biedermann, J. (2024). Digitale Sexualdelikte – Tatorte und Tatvarianten von Cybergrooming und kinderpornographischen Delikten. Forum Kriminalprävention, 2, 28–36. https://www.forum-kriminalpraevention.de/archiv/2024-02/digitale-sexualdelikte.html
Biedermann, J., Rüdiger, T.-G., & Ehlert, C. (2025). Risikofaktoren für die Mehrfachauffälligkeit von Sexualstraftätern mit kindlichen Opfern. Fachzeitschrift Kriminalistik. https://www.kriminalistik.de/96407.htm#Artikel4