Nach dem Festakt zum 25-jährigen Jahrestag der Polizeiausbildung in Brandenburg stand der Tag der Wissenschaft am 15. November 2016 ganz im Zeichen lebendiger und erlebter Geschichte der HPol, der FHöV in Bernau sowie der Landespolizeischule in Basdorf.
Nach einem Vierteljahrhundert für einen Tag innezuhalten, zurückzuschauen und dabei auch ein Gefühl dafür zu bekommen, welch weiten Weg die Aus- und Weiterbildung von Polizeibeamten in Brandenburg seitdem zurückgelegt hat, war ein wesentliches Ziel dieser Konferenz.
Doch ging es nicht nur um Rückschau und nostalgisches Erinnern, es ging auch darum, Entwicklungslinien zu erkennen und sich darüber klar zu werden, wo wir heute stehen. Hierzu waren Wissenschaftler, Zeitzeugen und Fachleute geladen, die Forschungserkenntnisse, Erfahrungen, Erkenntnisse, Interpretationen und Empfehlungen präsentierten und zur Diskussion stellten.
Der Rahmen war etwas anders als bei früheren Tagen der Wissenschaft: Die Vorträge waren vergleichsweise kurz, und mehrere Diskussionsrunden unterbrachen die Reihe von Vorträgen, damit sich Zeitzeugen und Praktiker über eine möglichst breite Palette an Themen austauschen konnten.
Den ersten Vortrag hielt Professor Dr. Thomas Lindenberger vom Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, der über die Polizeiausbildung in der DDR referierte und damit die Ausgangssituation beschrieb, mit der diejenigen umgehen mussten, die in der Umbruchzeit eine moderne Polizeiausbildung zu konzipieren hatten.
Der „schwierige Übergang“ von der Volkspolizei zur Polizei Brandenburg war das Thema von Dr. Burghard Ciesla, der sich im Rahmen eines von der HPol finanzierten Forschungsprojektes intensiv mit der Geschichte der Polizeiausbildung in Brandenburg befasst hatte und über seine Forschungsergebnisse referierte.
Heiner Waldhelm, der ehemalige Leiter der Fortbildung und stellvertretende Direktor der LPS gab anschließend einen sehr bildlichen Eindruck von den Verhältnissen seiner Anfangszeit an der LPS um 1990. Er war damals mit seinem privaten Lada (!) aus Duisburg ins unbekannte Brandenburg gefahren. Der Beginn war wenig verheißungsvoll: Mit einer Landkarte der ehemaligen DDR auf den Knien, auf der Basdorf noch nicht einmal eingezeichnet war, fand er über schauderhafte Straßen mehr oder weniger zufällig die Basdorfer Landstraße und dachte sich: „die führt wahrscheinlich nach Basdorf“. Doch boten sich für kreative und entscheidungsfreudige Naturen angesichts der vorgefundenen Zustände auch viele Gelegenheiten, Dinge zu gestalten und Entwicklungen nach vorne zu bringen. Angereichert mit einer Fülle von Bildern und Anekdoten ließ Waldhelm die Anfangszeit in Basdorf wieder auferstehen und malte ein farbiges Bild von den großen und kleinen organisatorischen Herausforderungen, die es damals zu meistern galt.
Professor Dr. Werner Giesen, Gründungsrektor der FHöV, berichtete sehr anschaulich und anekdotenreich aus der improvisationsreichen Anfangszeit dieser Einrichtung. Dies begann schon mit den Schwierigkeiten bei der Ankunft in Bernau, als man ihn zuerst noch nicht einmal aufs Gelände lassen wollte, und setzte sich fort in den Auseinandersetzungen mit den damaligen Hausherren vom FDGB, die kein gesteigertes Interesse daran hatten, Teile dieser Liegenschaft an eine noch zu gründende Fachhochschule für die öffentliche Verwaltung abzugeben. Doch auch diese Schwierigkeiten wurden schließlich gemeistert, und die FHöV begann im September 1991 ihren Lehrbetrieb.
Frau Professor Dr. Reingard Nisse, die frühere Vizepräsidentin der HPol, berichtete nach der Mittagspause über die Veränderungen im Curriculum und in der Hochschuldidaktik, die sie verantwortlich mitgestaltete. Parallel zu der Aufgabe, den angehenden Polizeibeamten ein praxisorientiertes, modernes Studium anzubieten, galt es auch, die europaweiten Veränderungen der Hochschullandschaft nachzuvollziehen, für die etwa Stichworte wie „Bologna-Prozess“, „Modularisierung“, „Akkreditierung“ und „Ausweitung des Selbststudiums“ stehen.
Ihr Vorgänger im Amt Professor Dr. Rolf Ackermann ließ die Diskussion über eine nach Sparten getrennte Polizeiausbildung noch einmal aufleben und warb dafür, den spezifischen kriminalistischen Kompetenzen und Inhalten eine größere Bedeutung zu geben – ein Ziel, für das er sich schon seit den 90er Jahren mit großem Nachdruck eingesetzt hatte und das nach seiner Auffassung auch heute noch aktuell ist.
Der ehemalige Polizeipräsident und erste Leiter des Zentrums für Zeitgeschichte der Polizei Dr. Detlef Graf von Schwerin spannte den Bogen über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten, als er über die Bedeutung eines berufsspezifischen Geschichtsbewusstseins von Polizeibeamten referierte. Nur wer um die Gefährdungen weiß, denen der bewaffnete Teil der Exekutive ausgesetzt ist, wird im Ernstfall genug Standhaftigkeit aufbringen, um dem Abbau rechtstaatlicher Grundsätze widerstehen zu können. Die HPol hat sich, vor allem auch nach ihrem Umzug auf das Gelände des ehemaligen SS-Truppenlagers des KZ Sachsenhausen, dieser Verantwortung gestellt und sowohl auf dem Gebiet der polizeibezogenen Zeitgeschichte als auch auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen Erhebliches geleistet.
In den drei Diskussionsrunden, die den Konferenzablauf auflockerten, hatten Zeitzeugen die Gelegenheit, ihre in den unterschiedlichsten Funktionen gewonnenen Erinnerungen und Erfahrungen auszutauschen. Dabei wurde deutlich, wie breit die Themenpalette ist, wenn es um die Gestaltung einer zukunftsorientierten Polizeiausbildung geht. Fragen, über die diskutiert wurde, waren etwa: Wieviel Wissenschaft braucht ein Polizeistudium? Wieviel Einheitlichkeit, wieviel Spezialisierung ist sinnvoll? Welche Didaktik verspricht den besten Lernerfolg? Wie groß sollte bzw. darf der Unterschied zwischen dem Studium für den gehobenen und der Ausbildung für den mittleren Dienst sein? Wieviel Autonomie braucht eine Polizeihochschule? In welche Richtung weisen relevante Trends? Inwiefern ist die junge Generation heute mit der jungen Generation vor 20 Jahren noch vergleichbar? Und welche Auswirkungen haben die neuen Medien auf das Studier- und Kommunikationsverhalten junger Menschen heute?
So gelang am Ende die Verbindung zwischen historischem Rückblick und Zukunftsperspektive, und es herrschte weitgehender Konsens, dass die in den Vorträgen und Diskussionen angesprochenen Fragen auch in absehbarer Zeit kaum ein für alle Mal geklärt werden können. Sehr viel wahrscheinlicher ist es, dass die Diskussion über eine moderne und zukunftsorientierte Polizeiausbildung so bald nicht aufhören wird, wir uns vielmehr in einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess befinden, der die Standards einer guten Polizeiausbildung immer wieder aufs Neue an die Herausforderungen eines dynamischen Umfelds anpassen muss.