(27.01.2025) Das Modul 9 „Erscheinungsformen der Schwerstkriminalität und deren kriminalpolizeiliche Lagebewältigung“ bildet eine der 14 Säulen des deutschlandweit einzigartigen Masterstudiengangs Kriminalistik. In einer Verbindung aus Theorie, Praxis und internationaler Zusammenarbeit erlangen die Teilnehmenden fundierte Kenntnisse und handlungsrelevante Kompetenzen im Umgang mit hochkomplexen Ermittlungs- und Einsatzlagen. Von Ende November bis Anfang Januar widmeten sich die Studierenden intensiv den vielfältigen Herausforderungen der Schwerstkriminalität – einem Themenfeld von hoher kriminalistischer und gesellschaftlicher Relevanz.
Zusätzlich bot das Modul eine besondere Möglichkeit zur Vertiefung: Die Studierenden konnten zwischen den Wahlpflichtteilen „Tötungsdelikte“ und „Sexualdelikte“ wählen. Auch die Teilnahme zweier Gaststudierender aus der Polizeibehörde bereicherte die Diskussionen und Perspektiven. Ein wesentliches Merkmal des Moduls ist die Verbindung von fundierter Theorie und praxisnaher Anwendung.
Highlights des Moduls
1. Planübung: Führungs- und Ermittlungsstrategien in der Praxis
Einer der Kerninhalte des Moduls war eine sechstägige Planübung mit Theorieanteilen. In dieser Übung beschäftigten sich die Teilnehmenden mit dem Planungs- und Entscheidungsprozess, dem Erstellen und Bewerten von besonderen Aufbauorganisationen und der Konzeption kriminalistischer Maßnahmen.
In realitätsnahen Szenarien konnten die Studierenden ihr Wissen praktisch anwenden. Ein Fallbeispiel befasste sich zum Beispiel mit einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen Angehörigen verschiedener Ethnien. Neben der komplexen Ermittlungsführung galt es, effektive gefahrenabwehrende Maßnahmen zu entwickeln und deren Umsetzung unter erheblichem Zeitdruck zu planen. Die Übung bot eine umfassende Vorbereitung auf die Arbeit in Führungsgruppen bei anspruchsvollen Einsatzlagen.
2. Gastvortrag des FBI: Internationale Zusammenarbeit und Praxisbeispiele
Ein weiteres Highlight war der englischsprachige Gastvortrag eines leitenden Special Agents des FBI. Unter dem Titel „Bekämpfung der Schwerstkriminalität in den USA und Möglichkeiten internationaler Zusammenarbeit“ gab der Experte Einblicke in die Ermittlungsstrategien der US-amerikanischen Strafverfolgungsbehörden.
Anhand von Fallbeispielen – unter anderem umfangreiche Ermittlungen im Zusammenhang mit Waffenschmuggel im Kontext islamistisch motivierten Terrorismus – zeigte der Vortrag die Herausforderungen und Erfolge derartiger Einsätze auf. Darüber hinaus wurden konkrete Fälle der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit vorgestellt, die die Möglichkeit der niedrigschwelligen Nutzung bilateraler Abkommen zwischen den USA und Deutschland sowie deren Bedeutung für Ermittlungserfolge verdeutlichten. Kooperation sei hier der Schlüssel zum Erfolg, denn alleine hätten diese Fälle nicht aufgeklärt werden können.
Nachdem der Terroranschlag des 11. September 2001 auf die USA Schwachstellen in der innerbehördlichen Kommunikation offenbarten, wandelte sich diese. Die Art der vereinfachten und schnellen Kommunikation legte der Agent auch den Studierenden nahe: „If you have it, you need to share it“. Sie sollen sichergehen, dass Informationen schnell geteilt werden. Untermauern konnte dies der Special Agent mit seinem mittlerweile gelebten Leitsatz „Wir können Großartiges erreichen, wenn niemand daran interessiert ist, wer die Anerkennung erhält“ (im Original: „Great things can be accomplished, when no one cares who gets credit.“)
Die Veranstaltung, bereits die vierte ihrer Art im Rahmen der Kooperation mit dem FBI, zog nicht nur die Studierenden des Masterstudiengangs an, sondern auch zahlreiche Gäste, darunter Angehörige der Brandenburger Polizei, der Polizei Berlin sowie Teilnehmende des Masterstudiengangs für den höheren Polizeivollzugsdienst der Polizeien Berlins, Brandenburgs, des BKA und der Bundestagspolizei.
3. Wahlpflichtteil: Sexualdelikte – Sensibilisierung und technologische Innovation
Geschichte Oranienburgs
Eine historische Perspektive ergänzte die fachliche Auseinandersetzung im Schwerpunkt Sexualdelikte. Die Studierenden besuchten den Gedenkort des KZ-Außenlagers Klinkerwerk in Oranienburg. Im Fokus stand die Verfolgung und Ermordung homosexueller Männer während der Zeit des Nationalsozialismus‘, insbesondere in Verbindung mit dem Missbrauch des Sexualstrafrechts. Diese Exkursion bot Anlass zur kritischen Reflexion über die historische Entwicklung und heutige Bedeutung des Sexualstrafrechts.
ViContact: Virtuelles Training für den sensiblen Erstkontakt
Das ViContact-Projekt der Psychologischen Hochschule Berlin stellt ein innovatives Werkzeug zur Professionalisierung von Erstgesprächen bei Verdachtsfällen sexuellen Missbrauchs vor. Die Studierenden interagierten mithilfe eines VR-Headsets (Virtual Reality) mit einem virtuellen, KI-gesteuerten Kind, das realitätsnahe Verhaltensweisen zeigte und auf die Gesprächsführung der Befragenden unmittelbar reagierte.
Die Simulation ermöglichte es den Teilnehmenden, sensible Fragetechniken in einer geschützten Umgebung zu üben. Anschließend analysierte die KI die Gespräche, und die Studierenden erhielten unter Anleitung einer Aussagepsychologin detailliertes Feedback zu ihrer Gesprächsführung. Obwohl die Anwendung sich noch in der Entwicklung befindet, zeigte sich bereits ein großes Potenzial für praxisnahes und ethisch einwandfreies Training.
Vernehmungsübung mit Aussagepsychologin
Aufbauend auf den Erkenntnissen aus ViContact führten die Studierenden mehrtägige Vernehmungsübungen durch. Unter der Anleitung einer Aussagepsychologin und mit professionellen Schauspielern, die Geschädigte und Beschuldigte darstellten, trainierten sie die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Vernehmungen in hochsensiblen Fällen. In einer gemeinsamen Auswertung wurden die Erkenntnisse vertieft und reflektiert.
4. Wahlpflichtteil: Tötungsdelikte – Forensik und Praxis
Personenspürhunde (Mantrailing)
Eine praxisnahe Demonstration des Einsatzes von Mantrailern wurde von einem der ersten in Deutschland zertifizierten Hundeführer geleitet. Anhand eines nachgestellten Falls verdeutlichte er die Stärken und Grenzen dieser Spezialhunde, die Geruchsproben zur Personenidentifizierung nutzen. Besonders spannend war der Vergleich zu traditionellen Fährtenspürhunden und die Erläuterung juristischer Kriterien für den Einsatz von Mantrailern, wie sie mittlerweile auch in der Rechtsprechung umrissen sind. Highlight für die Teilnehmenden war unterdes die praktische Vorführung des Polizeihundes, der mit einer Erfolgsquote von 100 Prozent präparierte Geruchsproben zuordnen konnte.
Entomologie und Wundballistik
Ein Experte der Rechtsmedizin Leipzig führte die Teilnehmenden in die forensische Entomologie ein. Die genaue Analyse von Insektenbefall und deren Entwicklungsstadien erlaubt belastbare Rückschlüsse auf Todeszeitpunkte und mögliche Intoxikationen. Ergänzt wurden diese Ausführungen durch eine praxisorientierte Einführung in die Wundballistik. Die Studierenden erhielten Einblicke in die Analyse von Schussverletzungen und deren Bedeutung für kriminalistische Ermittlungen.
Prüfungen und Abschluss
Die mündlichen Prüfungen wurden von einer Prüfungskommission durchgeführt, die sowohl praktische als auch wissenschaftliche Perspektiven vereinte. Unter dem Vorsitz des Modulkoordinators KD Christian Martin bewerteten die Prüfer LPD Andreas Suhr (Polizei Berlin) und Dipl.-Psych. Anett Tamm (Psychologische Hochschule Berlin) die Leistungen der Teilnehmenden. KHK Jens Hoewer (Polizeidirektion Ost) unterstützte als Beisitzer die Bewertung.
Besonderes Augenmerk lag auf der Fähigkeit, theoretisches Wissen in komplexen Ermittlungs- und Entscheidungsszenarien anzuwenden.
Ausblick
Mit dem erfolgreichen Abschluss des dritten Durchlaufs des Moduls ist bereits der nächste in Planung. Im Mai und Juni 2026 werden die Studierenden des vierten Masterstudiengangs erneut die Herausforderungen und Besonderheiten der Schwerstkriminalität erkunden.