(19.12.2024) Gewalt gegen Frauen bleibt auch 2024 eine der drängendsten gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg (HPolBB) nimmt sich dieser Problematik an. Der erste Schritt in diese Richtung war eine Fachtagung am 25. November 2023, die sich intensiv mit Gewalt gegen Frauen befasste. In Anlehnung und Ergänzung dieser Workshopveranstaltung wurde eine Podcast-Reihe ins Leben gerufen, um mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und verschiedene Lösungsansätze zu beleuchten. Der Podcast geht dabei über die bloße Darstellung polizeilicher Maßnahmen hinaus und gibt einen interdisziplinären Blick auf die Thematik, indem Expertinnen und Experten aus den Bereichen Polizei, Medizin, Recht und Opferhilfe zu Wort kommen.
In den Gesprächen werden nicht nur polizeiliche Handlungsansätze thematisiert, sondern auch die medizinische Versorgung von Opfern, die rechtlichen Herausforderungen und die Unterstützungsmöglichkeiten durch Opferhilfeeinrichtungen. Die Podcast-Reihe versteht sich dabei als Beitrag zur Aufklärung und Förderung von Lösungen, die die Lebenssituation der betroffenen Frauen nachhaltig verbessern.
Eine interdisziplinäre Perspektive
Die Podcast-Reihe „Oranienburger Dialoge“ geht die Herausforderungen an und bringt verschiedene Fachrichtungen zusammen. Neben polizeilichen Maßnahmen wird auch der Ablauf einer medizinischen Untersuchung nach einer Vergewaltigung erklärt. Die Ärztin Dr. Annika Henschel beschreibt, wie Frauen vertraulich behandelt und medizinische Beweise gesichert werden. Zudem wird aufgezeigt, wie Frauen in solchen Fällen Unterstützung durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten können.
Ein weiterer Themenschwerpunkt ist die Frage, warum auch heute noch Mädchen und junge Frauen gegen ihren Willen verheiratet werden. Der Podcast beleuchtet zudem, wie Gewalt nicht nur die Opfer, sondern auch die Einsatzkräfte, wie Polizeibeamte und Rettungsdienste, belastet.
Folge 4: Dr. Annika Henschel (Ärztin) |
In der vierten Folge unseres Podcasts sprachen unsere Gastgeberinnen mit Dr. Annika Henschel, Ärztin an den Oberhavel-Kliniken und Notärztin über die Herausforderungen im Umgang mit Betroffenen von Gewalt. Wie erkennt man unsichtbare Spuren? Welche Rolle spielen vertrauliche Spurensicherung und Mythen rund um Gewalt? Und warum ist Diskretion so entscheidend? Ein Gespräch voller Fakten, Einblicke und wichtigen Botschaften.
Folge 3: Beate Wolf (Polizeiseelsorgerin) |
Die dritte Folge greift das komplexe und bedeutsame Thema der moralischen Verletzungen auf, die im Arbeitsalltag von Polizeibeamtinnen und -beamten entstehen können. Als Expertin spricht Polizeipfarrerin Beate Wolf über ethische und emotionale Herausforderungen, denen Polizeikräfte im Dienst begegnen. Sie beschreibt eindrücklich, wie Gewalterlebnisse nicht nur die Opfer betreffen, sondern auch bei den Einsatzkräften Spuren hinterlassen können. Beate Wolf thematisiert ebenso, welche Verantwortung Hochschule und Dienstherr tragen, um Polizeikräfte für solche Belastungen zu sensibilisieren.
Folge 2: Oliver Stepien (Polizeipräsident Brandenburg) |
In der zweite Folge der Oranienburger Dialoge haben Dorothee Dienstbühl und Cigdem Üzüm zum Thema „Nein! Zu Gewalt gegen Frauen“ mit dem Polizeipräsidenten des Landes Brandenburg Oliver Stepien gesprochen. Seine Karriere begann 1984 bei der Landespolizei Berlin. Er war lange Zeit im LKA – dort im Bereich Rauschgiftkriminalität und anschließend im Staatsschutz eingesetzt – zunächst als Dezernats- und später als Abteilungsleiter im Bereich Politisch Motivierte Kriminalität (PMK). Anschließend führte er die Abteilung 6 des Berliner LKA Operative Dienste – Spezialeinheiten und Spezialkräfte. Seit 2020 ist er Präsident der Polizei des Landes Brandenburg. Das Thema Opferschutz besitzt für Oliver Stepien eine besondere Relevanz, wenn es um professionelle Polizeiarbeit geht. Warum gerade Gewalt gegen Frauen ein Thema ist, dass alle Bereiche der Polizei betrifft und wie der Spagat zwischen einem einfühlsamen Opferschutz und dem Strafverfolgungszwang gelingen kann und wofür der Opferschutzkompass gedacht ist, darüber spricht er mit den zwei Moderatorinnen.
Folge 1: Prof. Dr. Heike Wagner (Präsidentin HPolBB) |
Für die erste Folge der Oranienburger Dialoge sprachen Dorothee Dienstbühl und Cigdem Üzüm mit der Präsidentin der Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg Prof. Dr. Heike Wagner. Sie ist bereits seit mehr als 20 Jahren bei der Polizei in Brandenburg und blickt auf verschiedene Führungsverwendungen innerhalb der Polizei sowie Stationen im Ministerium des Innern und für Kommunales zurück. Vor ihrer Ernennung zur Präsidentin der Hochschule war die promovierte Juristin auch als Professorin im Masterstudiengang Kriminalistik tätig. Mit ihrem breiten Erfahrungsschatz ist Heike Wagner prädestiniert dafür, Themen aus unterschiedlichen Winkeln zu betrachten und genau das hat sie im Gespräch mit unseren Moderatorinnen getan. So sprach sie unter anderem über ihre bisherigen Berührungspunkte mit dem Thema Gewalt gegen Frauen, über polizeiliche Entwicklungen im Themenfeld häusliche Gewalt sowie das Engagement in Bezug auf den Aktionstag an der und durch die Hochschule der Polizei.
******************************************************
Alarmierende Zahlen und die Notwendigkeit zum Handeln
Die Zahlen zur Gewalt gegen Frauen in Deutschland sind erschreckend. Alle vier Minuten wird eine Frau Opfer von Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner. Im Jahr 2023 wurden 132.966 Fälle von Partnerschaftsgewalt erfasst, was einen traurigen Höchststand darstellt. Jeden zweiten Tag wird eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet. Neben den 331 Tötungsdelikten gab es 12.931 Frauen, die schwere Körperverletzungen erlitten, und 4.622 Frauen wurden Opfer sexueller Gewalt.
Doch diese Statistiken zeigen nur die sichtbare Spitze des Eisbergs. Dunkelfeldstudien deuten darauf hin, dass jede dritte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens mindestens einmal Opfer von Gewalt wird. Viele dieser Taten bleiben jedoch unbemerkt oder werden aus Angst vor Konsequenzen nicht angezeigt. Dies unterstreicht die Dringlichkeit, die bestehende Unterstützung für Opfer auszubauen und eine ganzheitliche Strategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu entwickeln.
Infobox: Internationaler Aktionstag
Der 25. November ist seit 1999 offiziell der internationale Aktionstag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, zu der Bündnisse auf der ganzen Welt aufrufen. Die Farbe Orange symbolisiert eine gewaltfreie Zukunft. Im Zuge des internationalen Aktionstags zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, beteiligt sich die HPolBB mit verschiedenen Aktivitäten, unter anderem im Arbeitskreis gegen Häusliche Gewalt im Landkreis Oberhavel und im Arbeitskreis zur Umsetzung der Istanbul-Konvention im Land Brandenburg, um auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen. Weltweit wird an diesem Tag ein Zeichen für eine gewaltfreie Zukunft gesetzt. |
Weitere Informationen:
Bundeskriminalamt (Hrsg.) (2024): Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023
UN Woman Deutschland (Hrsg.) (2024): Gewalt gegen Frauen in Deutschland 2023
https://unwomen.de/gewalt-gegen-frauen-in-deutschland/ (3.11.2024).
Grafiken: Juliane Strelow (HPolBB)